Zweck lt. Satzung §1 u.2 (1930): „Die DT ist eine Vereinigung
der deutschen Turnvereine und anderer der Pflege der Leibesübungen
dienenden Vereinigungen. Ihr Zweck ist die Förderung des deutschen
Turnens als eines Mittels zur körperlichen und sittlichen
Kräftigung sowie die Pflege deutschen Volksbewusstseins und
vaterländischer Gesinnung. Alle politischen Parteibestrebungen sind
ausgeschlossen.‟
Die Turnbewegung des 19. Jahrhunderts war in der ganzen Welt aufs engste
verbunden mit den politischen und sozialen Problemen seiner Zeit. In
Deutschland kam noch die nationale Einigung hinzu. So entstand das mit
militärischen Anforderungen durchsetzte Turnen Friedrich Ludwig Jahns.
Die ersten Turnvereine entstanden 1816. 1820 verbot Preußen das Turnen
völlig. Erst in einer Kabinettsorder von 1842 wurden
Leibesübungen als notwendiger Bestandteil der Jugenderziehung
anerkannt. Erste Verbandszusammenschlüsse fanden statt (1841
Mittelrhein, 1844 Württemberg usw.)
Zwar war am 02./03.04.1848 in Hanau der Deutsche
Turnerbund gegründet worden, dessen republikanischer Flügel sich vom
monarchistisch-konstitutionellen Flügel schon im Juli 1848 als
Demokratischer Turnerbund abspaltete.
Schließlich kam es am 26.08.1848 in Eisenach noch zur Gründung eines
Allgemeinen Deutschen Turnerbundes. Aber mit der
Niederschlagung der bürgerlichen Revolution 1849 und der u.a.
daraufhin in vielen deutschen Ländern (nach 1820 - 1842 erneut)
verhängten „Turnsperre‟ konnten diese Verbände praktisch nicht in
Erscheinung treten. Zahlreiche Turnvereine wurden wegen „politischer
Umtriebe‟ aufgelöst. Viele Turner wanderten in die USA aus.
Nach der schrittweisen Aufhebung des Turnverbots in den 1850er Jahren wurde
erst wieder am 17.06.1860 beim ersten deutschen Turntag während des
ersten deutschen Turnfestes in Coburg der Beschluss zur Gründung einer
Organisation gefasst. Am 12.08.1861 konstituierte sich in Berlin ein
vorbereitender Ausschuss („Fünferausschuß‟ - Auf der ersten Sitzung
am 28./29.12.1861 in Gotha wurde Georgii zum Vorsitzenden gewählt.), ehe am 21.07.1868
auf dem 4. Turntag in Weimar mit der Annahme einer Satzung die offizielle Gründung der
Deutschen Turnerschaft erfolgte.
Seit 1884 gab es heftige Auseinandersetzungen um den so genannten
Arierparagraphen, der 1888 zum Austritt des niederösterreichischen
Gaues führte (Dieses Gaue hatte am 15.07.1888 in seine Satzung die
Bestimmung aufgenommen, dass nur „reinblütige Deutsche‟ [sogenannte
„Arier‟] Mitglied sein durften). Erst nach dem Austritt des Kreises
Deutsch-Österreich 1904 zog wieder Ruhe ein (siehe auch Deutscher
Turnerbund).
Höhepunkt des Verbandslebens waren die regelmäßig
veranstalteten Turnfeste.
Ab 1906 war die DT auch Mitglied im Deutschen Reichsausschuß für
Olympische Spiele (DRAfOS) und entsandte eine Turnriege zu den Olympischen
Spielen 1908. Am 24.07.1910 erlaubte die Deutsche Turnerschaft zwar den
entstehenden Sportabteilungen ihrer Vereine sich den Fachverbänden
anzuschließen, doch sollte diese „tolerante Phase‟ nur von
kurzer Dauer sein.
Nach dem 1. Weltkrieg spitzte sich die Auseinandersetzung mit den
Sportverbänden zu. Neben der schon immer vorhandenen
Sportfeindlichkeit seitens der Turner kam jetzt das als unwürdig
empfundene Bestreben der Sportverbände um Aufhebung der
Suspendierungen (nach dem Ausschluss Deutschlands in Folge des 1.
Weltkrieges) aus den internationalen Föderationen. Die sich fast ein
Jahr hinziehenden Verhandlungen mit den Sportverbänden Deutsche Sportbehörde für Athletik,
Deutscher Schwimmverband und Deutscher Fußballbund
konnten zwar Ende 1919 mit der Einigung auf eine Arbeitsgemeinschaft, die
am 01.04.1920 in Kraft trat und für 3 Jahre gelten sollte, zu Ende
gebracht werden. Aber schon am 30.10.1920 kündigte die DT die
Verträge wieder, um diese dann am 20.03.1921 vorläufig wieder
zurückzunehmen. Der Vorstand der DT ließ stattdessen den Turntag
am 04.10.1921 über die Arbeitsgemeinschaften entscheiden. Dieser
missbilligte die Verträge und forderte Nachbesserungen, ansonsten
fristgemäße Kündigung zum 31.03.1923. Da es zu keiner
anderen Einigung zwischen den Sportverbänden und der Deutschen
Turnerschaft kam, verbot der Vorstand der DT ab 13.04.1922 den Sportabteilungen seiner
Turnvereine den Beitritt zu Sportverbänden und empfahl den Austritt
bis zu einem endgültigen Beschluss des nächsten Turntages. Dieser
Turntag am 10.12.1922 bestätigte dann die Linie des Vorstandes und
besiegelte die als „reinliche Scheidung‟ bezeichnete Trennung
zwischen Turnern und Sportlern mit dem Verbot der Doppelmitgliedschaften
(DT und gleichzeitig in einem Sportverband).
Am 14.12.1922 kündigte die DT offiziell die Arbeitsgemeinschaft fristgerecht zum 01.04.1923 auf.
Der Vertragsentwurf eines Deutschen Turn- und Sportbundes, in dem diese Verbände ihre Zusammenarbeit
neu regeln wollten, wurde 1923 durch die DT ebenfalls abgelehnt. Auf dem Turntag 1924 in Würzburg
wurde der folgenschwere Beschluss der „reinlichen Scheidung‟ zwischen Turnern und Sportlern
endgültig abgesegnet, der eine Doppelmitgliedschaft verbot. In der Folge kam es zu massenhaften
Austritten/ Ausschlüssen und Wechseln ganzer Abteilungen in die Sportverbände.
Am 18.08.1925 trat die DT aus
Protest gegen die zunehmenden Bestrebungen zur Wiederaufnahme in die
Olympische Bewegung auch noch aus dem sich mittlerweile Deutscher
Reichsausschuß für Leibesübungen (DRL) nennenden Dachverband
aus. Allerdings hatte man seitens der DT wohl nicht damit gerechnet, dass
die reinliche Scheidung wahr gemacht wurde und die Sportabteilungen
wirklich aus der Turnerschaft austraten. Der Siegeszug des Sports über
das „deutsche Turnen‟ führte zu einem merklichen Rückgang
der Mitgliedszahlen. Eine vorsichtige Annäherung der DT an die
Sportverbände begann. Am 13.10.1926 erfolgte der Wiedereintritt in den
DRL. 1928 nahmen Leichtathleten und Fechter der Deutschen Turnerschaft auch
wieder an Olympischen Spielen teil. Im Jahre 1929 begannen dann
komplizierte Verhandlungen mit den Sportverbänden, die aber
schließlich erfolgreich beendet werden konnten. Am 30.04.1930 trat der
Vertrag über eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Deutschen Schwimmverband
in Kraft und mit dem Abkommen über eine Arbeitsgemeinschaft mit DFB
und DSB vom 15.08.1930 hatte die DT ihre Isolierung beendet. Ab 1931 waren auch Doppelmitgliedschaften
wieder möglich.
Die DT war in Kreise und diese wieder in Gaue eingeteilt (1930): Kreis I
Nordosten, Kreis II Schlesien, Kreis IIIa Pommern, Kreis IIIb Brandenburg,
Kreis IIIc Provinz Sachsen und Anhalt, Kreis IV Norden, Kreis V Unterweser
und Ems, Kreis VI Hannover-Braunschweig, Kreis VII Oberweser, Kreis VIIIa
Westfalen und Lippe, Kreis VIIIb Rheinland, Kreis IX Mittelrhein, Kreis X
Baden, Kreis XI Schwaben, Kreis XII Bayern, Kreis XIII Thüringen,
Kreis XIV Sachsen, Kreis Pfalz: Pfälzer Turnerbund.
Jährliche Meisterschaften wurden ausgetragen in den Frei-, Hand- und
Geräteübungen in den volkstümlichen Übungen, im
Schwimmen, im Fechten und in den Turnspielen (1930).
Der völkische Deutsche Turnerbund (gebildet von den im Streit um den
Arierparagraphen [s.o.] ausgeschlossenen oder ausgetretenen Vereinen) hatte
sofort nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 die
Deutsche Turnerschaft aufgefordert, den jahrzehntelangen Streit zu beenden.
Schon am 09.04.1933 beschloss der geschäftsführende Vorstand der
DT, „marxistische und jüdische Mitglieder zu entfernen‟. Der
Deutsche Turnerbund sprach daraufhin seine Glückwünsche aus, war
dann aber sehr verärgert, als jüdische Frontkämpfer und
deren nächste Angehörige in allen Ehren in der DT verbleiben
durften. Als am 17.05.1933 diese Klausel aufgehoben wurde, stand einer
Annäherung der Deutschen Turnerschaft und des Deutschen Turnerbundes
nichts mehr im Wege. Folgerichtig wurden die reichsdeutschen Vereine des
Deutschen Turnerbundes mit Wirkung vom 01.01.1934 in die DT eingegliedert.
Auch das völkische Dietwesen (völkische Schulungen)
des Deutschen Turnerbundes wurde übernommen.
Anfangs meinte die Deutsche Turnerschaft ob ihres national-konservativen
Images und nun schnell vollzogenen Wechsels auf nationalsozialistische
Positionen einen Führungsanspruch in der vom Reichssportkommissar
verkündeten Neuordnung des deutschen Sports beanspruchen zu
können. Als die DT dann jedoch nicht mehr als die Rolle eines
turnerischen Fachverbandes zugewiesen bekam, regten sich anfangs heftige
Widerstände, die dann rasch in Unterwerfung übergingen.
Mit Schreiben vom 13.07.1933 bot Dr. Neuendorff dem Reichssportkommissar
von Tschammer und Osten die Führerschaft der Deutschen Turnerschaft
an, welche dieser am nächsten Tag auch annahm.
Doch alles das konnte das Ende der DT nicht verhindern. Die auf dem Turntag
am 18.04.1936 beschlossene Selbstauflösung wurde am 30.09.1936
wirksam.
1861 | 1.284 Vereine |
1890 | 380.000 Mitglieder |
1900 | 640.000 Mitglieder |
1914 | 1.340.000 Mitglieder |
1918 | 840.000 Mitglieder |
1920 | 1.250.000 Mitglieder |
1926 | 1.623.299 Mitglieder in 11.911 Vereinen |
1928 | 1.624.367 Mitglieder in 12.772 Vereinen |
1930 | 1.618.792 Mitglieder in 12.863 Vereinen |
Erster Vorsitzender | |
---|---|
29.12.1861 - 19.07.1887 | Theodor Georgii (Eßlingen) |
20.07.1887 - 22.07.1895 | Alfred Maul (Karlsruhe) |
23.07.1895 - 13.10.1915 🕆 | Ferdinand Goetz (Leipzig-Lindenau) |
13.10.1915 - 16.10.1919 | Geheimer Sanitätsrat Dr. Theodor Toeplitz, vertretungsweise |
16.10.1919 - 05.10.1929 | Prof. Dr. phil. Gustav Oscar Berger (Berlin-Charlottenburg) |
05.10.1929 - 06.04.1933 | Dr. Adolf Alexander Eberhard Dominicus, Staatsminister a.D. (Berlin-Schöneberg) |
08. - 30.04.1933 | Dr. Edmund Neuendorff (Berlin), kommissarisch |
Führer | |
01.05.1933 - 13.07.1933 | Dr. Edmund Neuendorff (Berlin) |
14.07.1933 - 30.09.1936 | SA-Obergruppenführer Hans von Tschammer und Osten (Berlin) |
Letzte Änderung: 20.01.2022